04/1926 – Aufruf!

Arbeitsgemeinschaft zur Pflege der Heimat
Aufruf!

Echo des Siebengebirges, April 1926

„Das urdeutsche Land am Rhein, die Wiege deutscher Geschichte und deutschen Volkstums“ so nannte unser Reichspräsident von Hindenburg bei seinem jüngsten Besuch in Köln unsere teure rheinische Heimat. Wie müssen dann erst wir selbst, ihre eigenen Kinder, geboren und aufgewachsen dicht an des Rheinlandes Lebensader, am Ufer des heiligen Stromes, der vor Jahrtausenden schon von seinen Anwohnern als Gott verehrt wurde – wie müssen w i r dann erst unsere Heimat hochschätzen und lieben. Aber diese unsere Liebe braucht und darf keine blinde Liebe sein, nein, lebensvoll, geschöpft aus dem Schauen, aus innerem Erleben muß sie entstehen. Sie soll uns hineinwachsen lassen in die Stammesgemeinschaft, wie sie sich ausgeprägt hat in besonderen Bauten, in der Mundart, in der Volksdichtung, in Namensgebung, in schönen alten Sitten und Gebräuchen, in von den Vätern überkommenen Fest- und Trauergewohnheiten. Und wie reich ist gerade unser heimatliches Städtchen an allen diesen Dingen! Wie reich ist vor allem Königswinter in seiner Geschichte, die abweicht von derjenigen der ganzen Umgegend. In den Ruinen der Ritterburgen auf unseren Bergeshöhen erblicken wir die Kraft des Mittelalters, in Heisterbachs Ruinen einen Brennpunkt der Kunst und der Gelehrsamkeit, in den Bergen selbst haben wir eine Schöpfung Gottes, wie sie sich in Entstehung und Formation, ebenso wie in ihrer Schönheit, kein zweites Mal findet auf dem ganzen Erdkreis. Die Spuren der Geschichte auf unserm heimatlichen Boden zu deuten und zu verstehen, die Besonderheiten der Heimat zu beobachten und zu erschauen, dieses Streben wird uns eine Fülle ungeahnter Schätze erschließen.

Und dann, von der engeren Heimat, wird der Kreis sich allmählich erweitern zum ganzen Vaterland, zu dem tausend feine Faden hinleiten, die zu verfolgen Freude und Interesse wecken. Immer mehr und mehr hat man die Bedeutung solcher Bestrebungen sowohl für den Einzelmenschen wie für die Gesamtheit, erkannt, und viele Erfolge sind schon erzielt.

Die Heimat- und Volkskunde hat eine nationale Bedeutung gewonnen, und in der neuen Unterrichtsreform erhielt sie den ihr zukommenden Platz angewiesen. Aber f ü r d a s V o l k und a u s d e m V o l k e , – so entsteht erst das wahrhaft Echte und Wertvolle. Und diesen Weg hat auch unsere hiesige Arbeitsgemeinschaft zur Pflege der Heimat eingeschlagen, die die reichen Schätze unseres lieben Heimatortes allen und jedem bekannt und zugängig machen will. Vieles ist im Laufe der Zeit schon unwiederbringlich verloren und versäumt, aber vieles ist auch noch zu retten, wieder gut zu machen. Und deshalb wirbt die „Arbeitsgemeinschaft“ bei allen, ruft sie alle heimattreuen Königswinterer auf zur Mitarbeit. Es gilt der Pflege der Heimat, des H e i m a t s i n n s , und wer wollte da zurückstehen?

Wer wäre da nicht selbst zu einem kleinen Opfer bereit um das beabsichtigte Museum zu bereichern, um eine Mußestunde für die Arbeit am schönen Streben zu verwenden, um einige ersparte Groschen für den Beitrag zurückzulegen? Reichen wir uns die Hände in der gleichen einmütigen Weise wie bei Gelegenheit der unvergeßlichen Jahrtausendfeier, beim einzig-schönen Festzuge im vergangenen Jahr und betrachten wir unser Werk als dessen Frucht und Fortsetzung. Denn unsere Heimat ist jeder Liebe und jedes Opfers wert:

„Hier war’s wo Wissenschaft zuerst erblühte,
Zuerst das Licht des Christentums erwacht,
Als Winfrieds Lehr‘ das rohe Herz durchglühte,
Wo Rittertum erstand in hoher Pracht,
In dem des Heldengeistes Flamme sprühte,
Wo Glaubenskraft erhellt die Liebesmacht!
Des Rheines Aun sah’n Kunst. schon heil erglänzen,
Als Nacht noch deckt des Ostens ferne Grenzen!“